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Die Unvergleichbarkeit der Shoah

Eine äußerst unangemessene Argumentationsweise hält sich hartnäckig im politischen Diskurs: der Holocaustvergleich. Geschichtsrevisionist*innen bezeichnen die alliierten Bombenangriffe auf Dresden und andere deutsche Städte im Zweiten Weltkrieg häufig als "Bombenholocaust". Die Motivation dahinter ist offensichtlich: die Kriegshandlungen der Alliierten zu riesigen Verbrechen hochstilisieren und die deutschen Taten damit relativieren. Ähnlich gehen Antisemiten vor, die ihren Hass unter dem Deckmantel der Israelkritik formulieren und behaupten, mit den Palästinenser*innen passiere genau das, was den Jüd*innen damals widerfahren ist. Angesichts der stetig anwachsenden Bevölkerungszahl in den palästinensischen Gebieten kann kaum von einem Völkermord die Rede sein, und wenn, dann wäre es der wohl ineffizienteste Genozid der Geschichte. In solchen offenkundig blödsinnigen und falschen Behauptungen wird die Shoah als Argument herangezogen, um zweifelhafte Ansichten zu legitimieren –

Männer brauchen Feminismus

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Diktatoren der Lebensführung: die Geschlechtschromosomen. Fotocredit:  "X and Y Chromosome"   by  National Institutes of Health (NIH)  is licensed under  CC BY-NC 2.0 Der Begriff Feminismus ist historisch untrennbar mit der Emanzipationsbewegung der Frau verbunden. Jedes bisschen Gleichberechtigung musste gegen den erbitterten Widerstand der Männerwelt erkämpft werden. Heute dürfen Frauen wählen und ohne Begleitung ihres Ehegatten ein Bankkonto eröffnen; ein zivilisatorisches Mindestmaß an Gleichstellung scheint erreicht. Von wirklicher Gleichberechtigung ist unsere Gesellschaft jedoch noch weit entfernt. Frauen verdienen nach wie vor deutlich weniger Geld als Männer, sind wesentlich häufiger Opfer von häuslicher und sexualisierter Gewalt und machen mehr als 90 Prozent aller alleinerziehenden Elternteile aus. Kurz: Noch immer sind es tendenziell Männer, die das Geld nach Hause bringen, und Frauen, die dort warten und sich um Haushalt und Kinder kümmern. Es is

Was ist Satire und wie erkenne ich das?

Eine Kolumne in der "taz" hat in der deutschen Öffentlichkeit für Furore gesorgt, wie es schon seit langem kein journalistischer Text mehr vermochte. Hengameh Yaghoobifarahs Text ist  hier  nachzulesen und nicht sehr lang, weswegen eine Zusammenfassung an dieser Stelle nicht nötig ist. Um sich eine Meinung darüber zu bilden, sollte ihn eh jede*r selbst gelesen haben. Nur so viel: Polizist*innen kommen dabei nicht gut weg. Die Reaktionen fielen heftig aus, vermutlich heftiger als erwartet. Die reaktionärere der beiden großen Polizeigewerkschaften, die "DPolG", drohte mit einer Klage wegen – festhalten – Volksverhetzung. Die (angebliche!) Verunglimpfung eines Berufsstandes ist also gleichbedeutend mit antisemitischen Vernichtungsfantasien oder dem Aufruf zu ethnischen Säuberungen.  Aber auch aus anderen Ecken schwappte eine Welle der Feindseligkeit über Zeitung und Autor*in, die beunruhigende Ausmaße annahm. Die "NZZ", eine Zeitung für Schweizer*innen mit

Schreibtischschubladenfundstück #1

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Langweilig wird es mit dem Donald nie. Fotocredit: "Donald Trump" by Gage Skidmore is licensed under CC BY-SA 2.0 Angesichts der momentanen Lage in den USA kam mir eine kurze Glosse in den Sinn, die ich vor ein paar Jahren verfasst habe – allerdings umsonst, da sie aus terminlichen Gründen nie erschienen ist. Der Anlass war, wie dem einleitenden Absatz wohl zu entnehmen ist, die jährliche Umfrage, was den Deutschen am meisten Angst bereite. Donald Trumps derzeitiger Spagat zwischen dem völligen Ausbleiben adäquater Reaktionen (COVID-19) und einer geradezu faschistoiden Massenmobilisierung hin zum autoritären Polizeistaat ( #BlackLivesMatter)  war mir Grund genug, den alten Text hervorzukramen und endlich zu veröffentlichen. Das Recht des Stärkeren Die Deutschen haben Angst vor Donald Trump. Laut einer Studie fürchten sich 69 Prozent der Bundesbürger*innen vor dem mächtigsten Mann der Welt. Verbreitete Terrorismus im vergangenen Jahr noch bei 71 Prozent de

Nietzsche war kein Nazi, er hätte sie verachtet

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Verrückter Voge l, aber kein rechter Spinner: Friedrich Nietzsche. Foto credit:  "Virgilius Moldovan by Zic Zerp Rotterdam 3D" by wim hoppenbrouwers is licensed under CC BY-NC-ND 2.0 D ie pseudointellektuellen Ergüsse neurechter Akteur*innen sind gleichermaßen gefährlich wie unsinnig. Das Hirngespinst vom "Großen Austausch" etwa ist ein Grundpfeiler identitärer Ideologie, wurde von Björn Höcke aufgegriffen und hat den Christchurch-Attentäter zu seiner barbarischen Tat motiviert. Weniger mörderisch, aber intellektuell außerordentlich ärgerlich ist die ewig wiederkehrende und stets grundfalsche Rezeption Friedrich Nietzsches in einschlägigen Kreisen. Der streitbare Philosoph wird seit jeher immer dann herangezogen, wenn jemand keine Ahnung von Philosophie hat, aber einen bekannten Namen braucht, um nationalistische, rassistische, antisemitische, revisionistische, sozialdarwinistische oder sonst wie faschistoide Inhalte mit geisteswissenschaftlicher Autorit

Das hat der arme Diskurs nicht verdient

Es ist eine Paradedisziplin vorrangig konservativer Politiker*innen, immer dann den direkten Kontakt zum (meist selbsternannten) Volk zu suchen, wenn es kriselt und sie sich um ihre Beliebtheitswerte sorgen. So weit, so menschlich. Allerdings kann es gefährliche Folgen mit sich bringen, wenn immerzu das Gespräch gesucht wird, der Common Sense jedoch außen vor bleibt. Die Entwicklung von PEGIDA etwa wäre wohl weniger gruselig ausgefallen, hätten nicht schon bei den ersten kleinen Demonstrationen Amtsträger*innen eine fast neurotisch anmutende Gesprächsbereitschaft an den Tag gelegt. Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden; Politiker*innen müssen ein gewisses Maß an Nahbarkeit und Diskussionsfreude zeigen, um als tatsächliche Repräsentant*innen ernst genommen zu werden. Der Diskurs ist das Fundament einer jeden freien und gerechten Gesellschaft und daher essenzieller Bestandteil der Demokratie. Es ist sogar ein Zeichen von charakterlicher Stärke, sich leidenschaftlich, aber sac